Institut für Schematherapie Marburg
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Forensisches Fallbeispiell: Alexander Z.

Alexander Z. ist 25 Jahre alt und bereits vielfältig mit dem Gesetz in Konflikt geraten: Er begibt sich schnell in Schlägereien, begeht Diebstähle, fährt schwarz oder ohne Führerschein u. Ä.. Diverse, sich graduell steigernde Strafen konnten ihn bisher nicht von erneuten antisozialen Verhaltensweisen abhalten. Schon seit seiner Kindheit hat er Schwierigkeiten, sich an Regeln zu halten, weshalb ihm auch das Absolvieren einer Berufsausbildung bisher nicht gelungen ist. Phasenweise konsumiert er Cannabis, abwechselnd mit Alkohol. Zu seinem heute fünfjährigen Sohn hat er keinen Kontakt mehr und bezahlt auch keinen Unterhalt für ihn.

Alexander Z. wuchs wechselweise bei seiner alleinerziehenden Mutter und im Kinderheim auf. Die alkoholabhängige Mutter konnte sich nicht ausreichend um die emotionalen Bedürfnisse ihres Sohnes kümmern und die wechselnden Männer an ihrer Seite meist auch nicht. Die frühen Erinnerungen des Herrn Z. an das Klima im Elternhaus sind geprägt von Teilnahms- und Interessenlosigkeit ihm gegenüber. Emotional fühlte er sich häufig alleingelassen, wertlos und traurig. Früh lernte er, sich entlang seiner Impulse das zu nehmen, was ihm das Leben angenehmer machte. Deutlichere Versuche, ihn darin zu begrenzen, wurden erst im Kinderheim unternommen. Dort fühlte er sich vor allem im Stich gelassen (von seiner Mutter), teilweise auch bedroht und verängstigt (von den aggressiven Verhaltensweisen der älteren Kinder). Bald lernte er, dass es vorteilhafter ist, sich selbst zügig in eine Machtposition zu bringen, anstatt zu warten, bis andere sich über ihn stellen. Die ersten Alkohol- und Drogenerfahrungen ab dem Alter von zwölf Jahren halfen ihm dabei, seine negative Stimmung effizient zu verbessern.

Alexander Z. wird seinen Arbeitsplatz in der JVA verlieren, wenn er dort weiterhin unregelmäßig erscheint. Im Therapiegespräch bittet ihn seine Therapeutin, sich auf einen separaten Stuhl mit jener inneren Haltung zu setzen, die morgens lieber länger liegen bleibt. Herr Z. drückt aus Sicht des impulsiven Kindmodus aus, dass es im Bett schöner ist als auf der Arbeit. Es gehe ihm schließlich oft genug schlecht! Die Therapeutin bittet Herrn Z. nun auf seinen üblichen Stuhl zurück und wiederholt die zentralen Aussagen des impulsiven Kindmodus. Sie fragt, wie sich diese Worte mit etwas Abstand und aus erwachsener Sicht anhörten. Herr Z. antwortet genervt, dass er schon wisse, was die Therapeutin hören wolle, denn das würden eh immer alle vorbeten: Man müsse sich im Leben anstrengen und Verantwortung übernehmen und mit ihm würde es noch ganz schlimm enden. Die Therapeutin erkundigt sich, warum er von diesen Aussagen so genervt sei. Herr Z. äußert, dass er niemanden brauche, der ihm immer wieder unter die Nase reibe, was für ein Versager er ist. Wie er auf die Idee komme, ein Versager zu sein? Verächtlich erkundigt sich Herr Z., ob die Therapeutin etwa meint, er sollte stolz darauf sein, im Gefängnis zu sitzen und nicht viel mehr geschafft zu haben, als einen Sohn in die Welt zu setzen, zu dem er keinen Kontakt mehr hat. An dieser Stelle greift die Therapeutin den sich jetzt zeigenden strafenden Elternmodus als „Kritiker“ sowie in der Folge den verletzbaren Kindmodus auf. In den folgenden Stunden begleitet sie Herrn Z. vor allem durch intensive Psychoedukation dabei, eine erwachsene Perspektive auf sein eigenes Gewordensein zu entwickeln. Sie unterstützt ihn dabei, den beteiligten Modi in Stuhldialogen die neue Sichtweise zu erklären. Dabei kreiert sie im Gespräch mit den Kindmodi eine beschützende Atmosphäre und achtet darauf, dass die Verantwortung für Mangel und Leid (auch ungenügende Grenzsetzung und Anleitung zu Disziplin) in der Kindheit den damals Erwachsenen zugewiesen wird. Zugleich motiviert sie den gesunden Erwachsenenanteil des Herrn Z., die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass zukünftig er für Schutz und Trost des vulnerablen Kindmodus verantwortlich ist, ebenso für die Disziplinierung des impulsiven Kindmodus. Möglichst oft lobt sie den gesunden Erwachsenen für konkrete Verhaltensweisen, stärkt ihn und macht sich ihn zum Bündnispartner innerhalb der Therapie. In Imaginationen lehrt sie den gesunden Erwachsenen, den verletzbaren Kindmodus funktional zu trösten und zu beruhigen. In Stuhldialogen unterstützt sie ihn dabei, sich von seinem Modus des inneren Kritikers wirkungsvoll abzugrenzen und ihn allmählich zum Verstummen zu bringen. Durch das Anraten von Hausaufgaben unterstützt sie wichtige Prozesse, z. B. indem sie Herrn Z. aufgibt, aus gesunder erwachsener Perspektive einen Brief an den inneren Kritiker zu schreiben. In weiteren Stuhldialogen übt sie mit dem gesunden Erwachsenen ein, wie dieser möglichst wirkungsvoll den impulsiven Kindmodus diszipliniert. Sie formt Überzeugung und Stärke im Erwachsenen, dass dieser Schritt von großer Bedeutung für ihn ist, und verankert dies im emotionalen und körperlichen Erleben des Herrn Z.. In Stuhldialogen steht sie dem gesunden Erwachsenen zur Seite, damit er sich wirkungsvoll gegen den impulsiven Kindmodus durchsetzen kann; zugleich berät sie ihn mit psychologischem Fachwissen zum Thema Arbeitsstörung (z. B. Motivationssätze visualisieren; für Belohnung bei Erfolg sorgen).

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